70 Jahre Seenotrettungskreuzer mit Tochterboot
Vor 70 Jahren hat für die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) mit dem Seenotrettungskreuzer „BREMEN“ eine neue Ära begonnen: Zum ersten Mal war ein Rettungsschiff als Selbstaufrichter konstruiert und hatte ein Tochterboot „huckepack“ dabei. Beides prägt die hochmoderne Flotte der DGzRS bis heute. Als Vater dieses auch international wegweisenden Schiffstyps im Seenotrettungsdienst gilt Kapitän John Schumacher. Er trieb als nautisch-technischer Inspektor der DGzRS (1949 bis 1976) dessen Entwicklung maßgeblich voran.
Um die Rettung Schiffbrüchiger zu beschleunigen, verbesserte die DGzRS Anfang der 1950er Jahre zunächst das Nachrichtenwesen an der Nord- und Ostseeküste. Ihre Rettungsstationen waren dadurch schneller als bisher zu alarmieren. Doch eine Schwierigkeit schien unüberwindlich: Die Rettungsboote selbst waren zu langsam. Es gab bis dahin keine Möglichkeit, absolute Seetüchtigkeit auch im Brandungsgebiet mit hoher Geschwindigkeit zu kombinieren.
Deshalb entwickelten die Seenotretter unter der Leitung ihres Inspektors Schumacher einen völlig neuartigen Schiffstyp. Er sollte doppelt so schnell sein wie die bisherigen Motorrettungsboote, auch bei schwerer See relativ hohe Geschwindigkeiten fahren können, dabei unbegrenzt hochseetüchtig und problemlos in Flachwassergebieten einzusetzen sein.
Im Januar 1953 begann die Erprobung des Versuchsseenotkreuzers „BREMEN“. Die „BREMEN“ war erstmals als Selbstaufrichter konstruiert. Ihre Fähigkeit, sich auch aus größter Krängung von allein wieder aufzurichten, war ein unschätzbarer Gewinn für die Sicherheit der Seenotretter. Bis heute ist dies eine grundlegende Eigenschaft aller DGzRS-Einheiten.
Das erstmals „huckepack“ mitgeführte Tochterboot wiederum ermöglichte den Einsatz im Flachwasser und erleichterte die Rettung Schiffbrüchiger aus dem Wasser. Die Seenotretter konnten das Boot über eine Heckklappe zu Wasser lassen und wieder an Bord nehmen. Nach wie vor sind die – bis heute vielfach weiterentwickelten – Tochterboote unentbehrliche Hilfsmittel und charakteristisches Merkmal aller Seenotrettungskreuzer der DGzRS.
Mit der „BREMEN“ gewannen die Seenotretter wertvolle Erkenntnisse. Aber bereits 1965 ging der Versuchskreuzer, der heute zum Bremer Hafenmuseum Speicher XI gehört und im Museumshafen Vegesack von engagierten Privatleuten erhalten wird, außer Dienst. Denn der entscheidende Durchbruch war erst 1957 mit Indienststellung der „THEODOR HEUSS“ gelungen. Dieser erste in Serie gefertigte Seenotrettungskreuzer einer neuen Generation moderner, vielseitig einsetzbarer Boote erfüllte erstmals sämtliche Erwartungen. Seine ständig weiterentwickelten Nachfolger werden bis heute höchsten Anforderungen mehr als gerecht. Ihr gutes Seeverhalten und ihre ausgezeichneten Manövriereigenschaften bewiesen sie in zahlreichen Einsätzen unter härtesten Bedingungen.
Für das Prinzip des Seenotrettungskreuzers mit Tochterboot fand die DGzRS national und international viel Beachtung. Die Bundesrepublik Deutschland ehrte John Schumacher, den Vater des Seenotrettungskreuzers, für seine Leistungen mit dem Großen Bundesverdienstkreuz und dem Bundesverdienstkreuz Erster Klasse.
Doch die Technik dient nur dem Menschen: Fundament der DGzRS ist und bleibt die ständige Bereitschaft erfahrener Besatzungen zur selbstlosen und aufopferungsvollen Hilfe für Menschen in Seenot. Die rund 180 fest angestellten und mehr als 800 freiwilligen Seenotretter fahren Jahr für Jahr rund 2.000 Einsätze auf Nord- und Ostsee – bei jedem Wetter. Freiwillig ist nach wie vor auch die gesamte Organisations- und Finanzierungsform der DGzRS: Die Arbeit der Seenotretter wird ausschließlich durch Spenden und freiwillige Beiträge aus dem ganzen Land ermöglicht.
Text u. Foto: Die Seenotretter – DGzRS
Kapitän John Schumacher (1911-1987), DGzRS-Inspektor von 1949 bis 1976, gilt als Vater des Seenotrettungskreuzers.