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Eiszeit in der Tiefsee

Bei der Untersuchung von Gashydratvorkommen im westlichen Schwarzen Meer machte ein Team von Forschenden vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und dem MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen überraschende Entdeckungen. Entgegen bisheriger Erkenntnisse und Theorien fanden die Wissenschaftler*innen freies Methangas in Schichten, wo diese eigentlich nicht auftauchen dürften. In der jetzt in der internationalen FachzeitschriftEarth and Planetary Science Letters veröffentlichten Studie schließen sie, dass sich das Gashydratsystem im Tiefseefächer der Donau durch die Klimaänderungen seit dem letzten glazialen Maximums weiterhin verändert.

Gashydrate sind eine feste Verbindung aus Gasen und Wasser, die bei niedrigen Temperaturen und hohen Drücken eisähnlich aussehen. Verbindungen aus Methan und Wasser, sogenannte Methanhydrate, finden sich insbesondere an vielen Ozeanrändern – auch im Schwarzen Meer. Neben einer möglichen Nutzung als Energieträger werden Methanhydratvorkommen auf ihre Stabilität hin untersucht, da sie sich bei Temperaturveränderungen auflösen können. Neben Freisetzungen von Methan kann dies auch Auswirkungen auf die untermeerische Hangstabilität haben.

Während einer sechswöchigen Expedition mit dem deutschen Forschungsschiff METEOR im Herbst 2017 untersuchte ein Team des Bremer MARUM und des GEOMAR ein Methanhydratvorkommen im Tiefseefächer der Donau im westlichen Schwarzen Meer. Auf der Fahrt im Rahmen des gemeinsam von BMWi und BMBF finanzierten Verbundvorhabens SUGAR III „Submarine Gashydratressourcen“ wurden die Gashydratvorkommen mit dem mobilen Meeresboden-Bohrgerät MARUM-MeBo200 erbohrt. Analyseergebnisse, die jetzt in der internationalen Fachzeitschrift Earth and Planetary Science Letters publiziert wurden, ergaben für die Wissenschaftler*innen neue Erkenntnisse zur Veränderung der Stabilität von Gashydraten.

„Anhand von Daten aus früheren Expeditionen hatten wir zwei Arbeitsgebiete ausgewählt, in denen zum einen Methanhydrat und freies Methangas in den oberen 50 bis 150 Metern der Hydratstabilitätszone koexistieren und zum anderen eine Hangrutschung und Gasaustritte direkt am Rand der Gashydratstabilität gefunden wurden“, erläutert Prof. Dr. Gerhard Bohrmann, Fahrtleiter der Expedition vom MARUM und Ko-Autor der Studie. „Dafür haben wir unser Bohrgerät MARUM-MeBo200 eingesetzt und mit einer maximal erreichten Tiefe von knapp 145 Metern alle bisherigen Tiefenrekorde gebrochen.“

Neben der Gewinnung von Proben konnten die Wissenschaftler*innen auch erstmals detaillierte in situ Temperaturmessungen bis zur Basis der Gashydratstabilität unter dem Meeresboden durchführen. Bisher wurde diese Basis mit Hilfe seismischer Methoden bestimmt, aus denen der sogenannte „Boden-simulierende Reflektor“ (BSR) als Indikator für diese Basis gewonnen wurde. „Unsere Arbeit hat jetzt aber zum ersten Mal bewiesen, dass die Herangehensweise über den BSR für das Schwarze Meer nicht funktioniert“, erläutert Dr. Michael Riedel vom GEOMAR, Erstautor der Studie. „Aus unserer Sicht hat sich die Gas-Hydrat-Stabilitätsgrenze schon an die wärmeren Bedingungen im Untergrund angenähert, aber das freie Methangas, das immer an dieser Unterkante zu finden ist, hat es bisher nicht geschafft mit aufzusteigen“, so Riedel weiter. Die Gründe dafür lägen in der geringen Permeabilität der Sedimente, das heißt das Methangas „klebe“ dort unten noch fest und könne aus eigener Kraft nur sehr, sehr langsam aufsteigen, so der Kieler Wissenschaftler.

„Unsere neuen Analysen der seismischen Daten haben aber auch gezeigt, dass an einigen wenigen Stellen das Methangas den BSR durchbrechen kann. Dort etabliert sich gerade ein neuer BSR über dem ‚alten‘ Reflektor. Das ist neu und wurde so noch nie vorher gesehen“, sagt Dr. Matthias Haeckel, Koautor der Studie vom GEOMAR. „Wir interpretieren das so, dass an diesen Stellen das Gas aufsteigen kann, da hier Störungen im Meeresboden den Gasfluss begünstigen“, so Haeckel weiter.

„Zusammenfassend haben wir in dieser Region eine sehr dynamische Situation vorgefunden, die auch offenbar etwas mit der Entwicklung des Schwarzen Meeres seit der letzten Eiszeit zu tun hat“, so Michael Riedel. Nach dem letzten glazialen Maximum (LGM) ist der Meeresspiegel gestiegen (Druckzunahme), und als dann der globale Meeresspiegel über den Schwellenwert des Bosporus gestiegen ist, konnte salziges Wasser aus dem Mittelmeer einfließen. Davor war das Schwarze Meer im Prinzip ein Süßwassersee. Zusätzlich hat die Erderwärmung seit dem LGM dazu geführt, dass auch die Temperatur des Bodenwassers im Schwarzen Meer angestiegen ist. Die Kombination dieser drei Faktoren – Salzgehalt, Druck und Temperatur – hatte drastische Auswirkungen auf die Methanhydrate, die sich nämlich durch diese Effekte zersetzen. Die aktuelle Studie zeige beispielhaft die komplexen Rückkopplungen und Zeitskalen, die Klimaveränderungen in der marinen Umwelt induzieren und eigne sich daher gut, die zu erwartenden Folgen der heutigen rasanteren Erderwärmung abzuschätzen – vor allem auf die arktischen Gashydratvorkommen.

Fahrtleiter Gerhard Bohrmann resümiert: „Am Ende des SUGAR-3 Programmes hat uns die Bohrkampagne mit MeBo200 im Schwarzen Meer noch einmal sehr deutlich vor Augen geführt, wie schnell sich die Methanhydratstabilität in den Ablagerungen des Ozeans mit Umweltschwankungen ebenfalls ändern.“

Text: GEOMAR, Foto: Christian Rohleder

Bohrkerne aus dem MARUM-Mebo200 werden an Deck der FS METEOR entnommen.
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