Marine steht nicht vor Herausforderungen, sondern vor großen Problemen
Erfurt. Beim 110. Abgeordnetentag des Deutschen Marinebundes (DMB) in Erfurt ging es bei einer Kursbestimmung um die aktuelle Lage der Deutschen Marine. Hierzu sprach der Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Kay-Achim Schönbach vor rund 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmern im Kaisersaal Klartext:
„Wenn Sie glauben, dass wir eine stattliche Flotte haben – die haben wir nicht. Die Deutsche Marine steht vor keinen Herausforderungen, sondern vor wirklich großen Problemen.“ Vor allem die Bürokratie sei zu einer völlig unverhältnismäßigen Hürde geworden. „Mittlerweile braucht es 76 Wochen Vorlaufzeit, nur um ein Schiff in die Werft zu bekommen.“ Instandsetzungsvorhaben verzögerten sich über alle Maßen. „Aber“, betonte Schönbach „unsere Frauen und Männer wollen, machen das Beste daraus und vieles möglich!“
Ein zentrales Ziel sei, die Marine noch stärker für den Kampf zu befähigen. Dazu müsse das Mindset geschärft und die „innere Führung“ modernisiert werden.
Es gäbe jedoch auch gute Nachrichten: „Mit den genehmigten 25 Mio. Vorlagen im Haushaltsausschuss können wir die umfangreichste Erneuerung der Marine seit langem anstoßen.“ Schönbachs Ziele seien die Konkretisierung und weitere Ausformung des Marineschiffbaus als nationale Schlüsseltechnologie, das Forcieren des Systemhausgedankens durch integrative Ansätze sowie das Entwickeln von maritimen Elementen einer künftigen Sicherheitsstrategie.
Schönbach wies außerdem darauf hin, dass eine Änderung der Soldatenarbeitszeitverordnung (SAZV) unerlässlich sei. „In der SAZV steht, dass ‚über Nacht zur See fahren‘ ein Ausnahmetatbestand ist.“ Laut SAZV wäre im Prinzip Nachtausbildung nicht mehr möglich, weil den Soldatinnen und Soldaten nach einer Nachtschicht drei Tage Erholungsausgleich zustünden. Attraktivität fördere diese Lage nicht. „Wir rekrutieren Rennpferde und erziehen sie durch unsere Bürokratie zu Ackergäulen“, bemängelt Schönbach.
Schönbach betonte in seinem Vortrag auch die besondere Bedeutung des Deutschen Marinebundes für die Marine. „Sie sind es, die durch Ihre bundesweiten Kameradschaften die Botschaften der Marine in die Republik tragen. Dieses Engagement ist für uns überlebenswichtig. Seit der Aussetzung der Wehrpflicht kennt man im Süden Deutschlands die Marine und ihre Bedeutung als attraktiver Arbeitgeber nicht mehr richtig.“ Daher sprach sich Schönbach dafür aus, diese Zusammenarbeit in Zukunft noch zu intensivieren.
Der Deutsche Marinebund e.V. ist mit rund 10 000 Mitgliedern in ca. 240 Mitgliedsvereinen der größte maritime Interessenverband Deutschlands. Er bietet allen mit dem Meer und der Seefahrt verbundenen Menschen ein Forum. Er richtet sich an jene, die sich für Schiffe und Seefahrt begeistern oder sich für Themen wie den Umweltschutz der Meere oder maritime Wirtschaft interessieren.
Ebenso fördert der DMB in enger Zusammenarbeit mit Marine und Handelsschifffahrt alle Bereiche der deutschen Seefahrt und informiert deutschlandweit über die Bedeutung und Notwendigkeit der freien Seefahrt für die Bundesrepublik. Der DMB beteiligt sich parteipolitisch neutral an der Diskussion über aktuelle maritime Themen und ist Ansprechpartner für die maritimen Entscheidungsträger in unserer Gesellschaft.
Quelle: Deutscher Marinebund e.V.
Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Kay-Achim Schönbach, sprach in Erfurt über die aktuelle Lage der Deutschen Marine deutliche Worte. Foto: Deutscher Marinebund e.V.