MOSES jagt Ozeanwirbel
Die Netze sind ausgelegt. Im Rahmen des Helmholtz-Umweltbeobachtungsprogramms MOSES wollen Forscherinnen und Forscher des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel und des Helmholtz-Zentrums Geesthacht Zentrum für Material und Küstenforschung bis Weihnachten extrem sauerstoffarme Wirbel im tropischen Atlantik genau untersuchen. Schon jetzt spähen autonome Geräte rund um die kapverdischen Inseln nach geeigneten Wirbeln für die Beprobung. Am 23. November verlässt auch das Forschungsschiff METEOR den Hafen von Mindelo. Ein Forschungsflugzeug wird die Suche aus der Luft unterstützen.
Im Jahr 2010 staunten Meeresforscherinnen und -forscher in Kiel nicht schlecht. Die von ihnen betriebene Langzeitbeobachtungsstation „Cape Verde Ocean Observatory“ (CVOO) nördlich der Kapverden-Insel São Vicente zeichnete kurzfristig so niedrige Sauerstoffwerte im Meerwasser auf, wie sie bis dahin noch nie im Atlantik gemessen worden waren. Ein Messfehler? Nein. Satellitendaten und weitere Beobachtungen offenbarten, dass ein ozeanischer Wirbel mit einem Durchmesser von 100 Kilometern gerade das CVOO passiert hatte. In seinem Inneren herrschten offenbar extreme Bedingungen.
2014 gelang einem Team des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel und des Kieler Forschungsnetzwerkes „Future Ocean“ dann erstmals die gezielte Beprobung einer solchen mobilen und verhältnismäßig kurzlebigen Sauerstoffminimumzone. Jetzt soll eine neue umfangreichere Messkampagne etliche noch offene Fragen zu dem Phänomen und der Rolle von Wirbeln im System Ozean beantworten. Sie findet im Rahmen des Umwelt-Beobachtungsprogramms MOSES der Helmholtz-Gemeinschaft statt. Mit an Bord ist dieses Mal auch das Helmholtz-Zentrum Geesthacht Zentrum für Material und Küstenforschung (HZG), das bereits ähnliche Untersuchungen an kleineren küstennahen Wirbeln (englisch: Eddies) im Rahmen der Expedition „Uhrwerk Ozean“ durchgeführt hat. Die sich ergänzende Expertise beider Forschungseinrichtungen wird nun in der „MOSES Eddy Study II“ zusammengebracht.
Kern der neuen Messkampagne ist eine Expedition mit dem deutschen Forschungsschiff METEOR, die am 23. November im Hafen von Mindelo (Kap Verde) beginnt. Die Forscherinnen und Forscher an Bord, darunter auch Arbeitsgruppen des MARUM (Bremen) und der Universität Kaiserslautern, bekommen zusätzlich Unterstützung aus der Luft. Die Fachhochschule Aachen stationiert das Forschungsmotorsegelflugzeug Stemme S-10 VTX auf der Kapverden-Insel Sal, um von dort mit Experten des HZG die Wirbel aus der Luft zu beobachten und ihre Interaktion mit der Atmosphäre zu vermessen.
„Je mehr sich die Forschung mit Wirbeln im Ozean beschäftigt, desto mehr erkennt sie, dass diese eine wichtige und bisher nur unzureichend verstandene Rolle bei der Verteilung von Energie, Sauerstoff oder auch Nährstoffen haben und darüber hinaus die Physik und Biogeochemie ganzer Ozeanbecken beeinflussen können“, sagt Prof. Dr. Arne Körtzinger vom GEOMAR, wissenschaftlicher Fahrtleiter der METEOR-Expedition.
Die Beprobung des Wirbels im Jahr 2014 und die anschließende Auswertung der Daten hat beispielsweise Prozesse nachgewiesen, die im Atlantik vorher nicht erwartet worden waren. Dazu gehört auch die natürliche Produktion erheblicher Mengen von Treibhausgasen aufgrund besonderer biochemischer Prozesse in den sauerstoffarmen Zonen. „Das verändert unsere Vorstellung von Elementkreisläufen im Atlantik, was letztendlich auch Einfluss auf unsere Ozean- und Klimamodelle haben wird“, betont Körtzinger.
Sein Kollege Prof. Dr. Burkard Baschek, Institutsleiter im Institut für Küstenforschung des HZG, bestätigt dieses. Bei der Expedition Uhrwerk Ozean im Sommer 2016 haben die Küstenforscher aus Geesthacht kurzlebige Wirbel in Küstennähe von der Entstehung bis zum Zerfall vermessen. „Dabei konnten wir nachweisen, dass kaltes Wasser im Inneren der Wirbel schnell nach oben transportiert wird. Die kleinen Wirbel bringen dabei Nährstoffe von tieferen Ebenen der Wassersäule nach oben an die Oberfläche. Wenn sie dort mit dem Sonnenlicht zusammenkommen, sind das ideale Voraussetzungen für das Algenwachstum und damit entscheidend für den Beginn der Nahrungskette und das Leben im Meer. Nun wollen wir die Interaktion der kleinen Wirbel mit den großen vermessen und verstehen“, so Baschek.
Damit die knappe Schiffs- und Flugzeugzeit effizient genutzt werden kann, werten die Forscherinnen und Forscher schon seit Wochen hochaufgelöste Satellitenbilder und Vorhersagemodelle aus, um passende Wirbel-Kandidaten auszumachen. Die Wirbel bilden sich vor der westafrikanischen Küste aufgrund des Zusammenspiels von Wind, Strömungen und Küstentopographie. Von den Küsten wandern sie anschließend Richtung Westen in den offenen Atlantik, wo sich einige erst nach Monaten auflösen. „Aktuell sind mehrere Eddies unterwegs, die für uns interessant sind“, sagt Professor Körtzinger. Vom Ocean Science Centre Mindelo aus hat das Team bereits vor Wochen einen ganzen Schwarm autonomer Geräte auf den Weg gebracht, um diese Kandidaten schon vorab zu untersuchen. „Dabei kommen neben unseren eigenen Geräten auch topmoderne Saildrones zum Einsatz. Das sind autonome Messplattformen, die sich mithilfe des Windes fortbewegen und jetzt bereits knapp 4.000 Kilometer Strecke vermessen haben“, erklärt Professor Körtzinger.
Neben dem Helmholtz-Programm MOSES ist die die aktuelle Wirbeljagd auch Gegenstand des vom Bundesforschungsministerium finanzierten Projekts REEBUS. „Es ist schön, dass wir so viele verschiedene Programme sowie Expertinnen und Experten zusammenbringen konnten, um gemeinsam das bislang kaum verstandene Phänomen der Ozeanwirbel mit den modernsten zur Verfügung stehenden Instrumenten untersuchen zu können“, fasst Professor Körtzinger zusammen.
Wer die Wirbel-Jagd mitverfolgen möchte, kann dies auf Twitter, Facebook oder Instagram (Hashtag: #MOSESeddyhunt) tun. Die eingesetzten autonomen Geräte können auf https://waveglider.geomar.de live verfolgt werden. Im „Cape Verde Blog“ auf www.oceanblogs.org berichten die Forscherinnen und Forscher regelmäßig von ihren Tätigkeiten.
Tex: Helmholtz-Zentrum Geesthacht, GEOMAR Helmholtz-Zentrums Kiel. Foto: Björn Fiedler/GEOMAR