Munition im Meer zunehmend gefährlich
Rund 1,6 Millionen Tonnen Munition liegen auf dem Meeresgrund von Nord- und Ostsee; das Material ist mittlerweile hochgradig korrodiert und extrem gefährlich geworden. Der Deutsche Marinebund e. V. (DMB) und der Deutsche Nautische Verein von 1868 e.V. (DNV) warnen daher vor dieser Gefährdung und fordern die Bundesregierung und die Regierungen der Küstenländer zum umgehenden Handeln auf.
Schätzungen zufolge liegen in der Nordsee rund 1,3 Millionen Tonnen konventioneller Munition, in der Ostsee etwa 300 000 Tonnen; dazu kommen in den deutschen Meeresgewässern mehr als 5000 Tonnen chemischer Kampfstoffe. Diese Munition ist überwiegend in verschiedenen Gebieten nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges versenkt worden, bei rund zehn Prozent soll es um verstreute Munition aus Kampfhandlungen gehen. Laut GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel sind allein im Nordostatlantik und der Nordsee fast 150 Munitionsversenkungsgebiete bekannt; jährlich kommt es in diesen Regionen zu über 900 Vorfällen im Zusammenhang mit den alten Kampfmitteln.
Neben dieser „explosiven“ wie auch „toxischen“ Gefahr für Menschenleben und Schifffahrt gefährdet die rostende Munition zunehmend die Umwelt. „Wir sprechen in Bezug auf die Munitionsaltlasten von tickenden Zeitbomben. Der Zustand der metallenen Munitionshüllen hat sich durch Korrosion in den letzten Jahren dramatisch verschlechtert und deren Schlagempfindlichkeit erhöht. Wenn die Metallkörper dann korrodiert sind, geben sie die giftigen Substanzen ans Meerwasser ab und können zudem nicht mehr geortet werden“, erklären der Präsident des DMB, Staatssekretär a.D. Heinz Maurus und Kapitän Christian Suhr, Vorsitzender des DNV. Aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse bestätigen den enormen Handlungsdruck. Neben sprengstofftypischen Verbindungen wie Phosphor enthalte die konventionelle Munition laut Bundesumweltministerium Schwermetalle wie Quecksilber, die nach dem Wegrosten der Metallhüllen in die Meeresumwelt gelangten. Noch gravierender ist der entstehende Cocktail bei chemischen Kampfstoffen.
Der Deutsche Marinebund und der Deutschen Nautische Verein hatten in der Vergangenheit wiederholt auf dieses Problem hingewiesen und appellieren an die Bunderegierung und an die Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen der Küstenländer, endlich Verantwortung zu übernehmen. „Wir brauchen eine bundesweite Strategie und Koordination sowie die Übernahme der Kosten. Daher fordern wir die Bundesregierung und die Regierungen der Küstenländer erneut auf, sich aktiv um dieses Erbe zu kümmern, es ist ein gesamtdeutsches“, sagt Maurus. Nach wie vor stelle es eine Mammutaufgabe dar, die im großen Stil angegangen werden müsse und nicht am Fehlen finanzieller Mittel scheitern dürfe. Und jetzt dränge die Zeit.
Der DMB und der DNV wissen u.a. die Landesregierung Schleswig-Holsteins an ihrer Seite, wenn es darum geht, möglichst viel und möglichst schnell Munition aus den Meeren zu bergen, und bittet diese, sich auf Bundesebene weiter für das Anliegen stark zu machen. Der Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein, Daniel Günther, warnt selbst vor einer ökologischen und wirtschaftlichen Katastrophe, auch im Hinblick auf die Sicherheit von Fischerei, Schifffahrt und Tourismus.
Bisher sind unter anderem verschiedene Forschungsinstitute, Expertenkreise, internationale Zusammenschlüsse, wie die Helsinki Kommission zum Schutz der Ostsee (HELCOM) sowie die Deutsche Marine mit verschiedenen Aufgaben zum Thema betraut. Im schleswig-holsteinischen Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung (MELUND) ist seit 2007 die deutschlandweit einzige Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum Thema Munition im Meer angesiedelt, Bund und Küstenländer haben die Zentrale Meldestelle für Munition umgesetzt. „Es fehlt ein koordiniertes, systematisches Vorgehen, das die Bundesregierung leisten muss. Hierfür scheint der politische Wille noch immer nicht vorhanden“, so Maurus und Suhr. Im Namen des DMB und DNV fordern sie die Bundesregierung auf, die Kompetenzen von Bund, Ländern und Instituten festzulegen und eine Koordinationsstelle zu schaffen. Zudem ist eine Zusammenarbeit mit den benachbarten Anrainerstaaten vonnöten.
Ein systematisches Vorgehen verlangt zunächst eine exakte Kartierung der Gebiete, um die Standorte zu bestimmen. Dabei müssen auch valide Daten erhoben werden, die für die erforderlichen Bergungskapazitäten und deren Kostenrahmen belastbare Zahlen liefern.
Parallel müssen die Räumungskapazitäten erweitert werden. „Die Deutsche Marine hat Erfahrung mit der Bergung und Beseitigung von Munition, sie ist hochspezialisiert“, so Maurus. Sie halte sich wenn möglich an Umwelt- und Tierschutzauflagen, doch dürften diese ihre Arbeit nicht erschweren. Letztendlich seien der Schutz von Menschenleben und Umwelt vor den Folgen der Munitionsaltlasten ein höheres Gut als potenzielle Gefahren durch eine kontrollierte Sprengung.
Die Forderungen des Deutschen Marinebundes und Deutschen Nautischen Vereins an die Bundesregierung:
- Wir fordern die Bundesregierung zur Übernahme der Verantwortung und zur Übernahme der Kosten für die Beseitigung der Munitionsaltlasten aus Nord- und Ostsee auf.
- Wir fordern eine Strategie zur Beseitigung der Munitionsaltlasten aus Nord- und Ostsee. Im Rahmen dieser Strategie muss eine Koordinierungsstelle geschaffen werden, die die jeweiligen Zuständigkeiten bestimmt und alle Daten und Fakten zentral zusammenführt.
- Wir fordern die Bundesregierung auf, die Deutsche Marine bei der Beseitigung der Munition zu unterstützen, ihre Räumungskapazitäten zu erweitern und sie nicht in ihrer Arbeit durch erschwerende Umweltauflagen zu behindern.
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Text: DMB und DNV
Foto: AUV-Team/GEOMAR