Neues EU-Projekt SUBMERSE
Die nationalen Forschungsdatennetze können – mittels sogenannter DAS- oder SoP-Technologie – als Sensoren zur Überwachung von Erdbebenzonen, Vulkanen oder Ozeanen dienen.
Das neue EU-Projekt SUBMERSE (SUBMarine cablEs for ReSearch and Exploration) ist gestartet. Es zielt darauf ab, bestehende Unterwasser-Telekommunikationskabel als Sensoren zur Überwachung des Systems Erde zu nutzen, etwa für Erdbeben-, Vulkan- oder Ozeanforschung. Insbesondere soll hierfür auf bestehende Unterseekabel der jeweiligen nationalen Forschungs- und Bildungsdatennetze zurückgegriffen werden. Da sie auf eine neue Art und Weise genutzt werden können, vermeidet das Projekt nicht nur den Bedarf an zusätzlicher Hardware unter dem Meer, sondern verbessert auch die Rentabilität der bestehenden Investitionen.
24 Partnereinrichtungen
Unter Koordination des European Future Innovation System (EFIS) Centre arbeiten 18 direkte Partnereinrichtungen zusammen, darunter auch das Deutsche GeoForschungsZentrum GFZ; fünf Einrichtungen sind angeschlossen und eine assoziiert. Im Rahmen des 36-monatigen Projekts werden sie eng mit den verschiedenen Forschungsgemeinschaften kooperieren, die die Daten nutzen wollen. Offizieller Start des Projektes war am 1. Mai 2023. Es wird im Rahmen des Programms „R&D for the next generation of scientific instrumentation, tools and methods“ von HORIZON Europe mit 10 Millionen Euro gefördert.
Gemeinsamer Datendienst und gemeinsame Forschungsergebnisse
Ziel ist es, gemeinsam einen Datendienst zu konzipieren und aufzubauen und so ein hochgradig kooperatives Umfeld zu schaffen, in dem Daten von und für alle Beteiligten generiert werden. Auf diese Weise geht SUBMERSE über das traditionelle Modell der Unterstützung globaler Forschung und Bildung durch Infrastrukturen hinaus: Es schafft eine Umgebung, in der Projektpartner und Forschungsgemeinschaften aus dieser Infrastruktur für verschiedene Zwecke gemeinsam Forschungsergebnisse generieren und nutzen.
Basis: Erprobte Nutzung von Glasfaserkabeln als Sensoren
Grundlage für dieses Projekt ist die Pionierarbeit der Forschungsdatennetze und ihrer Partner aus Universitäten, Forschungsinstituten und der Industrie in Teilen Europas in den letzten fünf Jahren, in der sie unterseeische Glasfaserkabel zur Überwachung verschiedener Teilsysteme der Erde erprobt. Dabei waren die verwendeten Methoden und Technologien unterschiedlich.
Als besonders vielversprechend, was die Detailtiefe und Skalierbarkeit ihres Einsatzes angeht, haben sich zwei Techniken erwiesen: „Distributed Acoustic Sensing“ (DAS) und „State of Polarisation“ (SoP). Bei DAS werden die Glasfasern als Dehnungssensoren genutzt: Durch Bewegungen des Untergrunds verformen sie sich, die durchgeleiteten Signale werden verzerrt. Aus der Analyse lassen sich Informationen über die Bewegung der Erde ableiten und sowohl Erdbebenwellen erfassen als auch Vorgänge in der Wassersäule über dem Grund. Ähnlich lässt sich bei SoP aus der Änderung der Polarisation, also einer bestimmten Eigenschaft des durch die Kabel geleiteten Lichts, etwas über Deformation des Kabels lernen. DAS bietet hohe räumliche Auflösung von einigen Metern, aber eine begrenzte Reichweite von ca. 100 Kilometern, während SoP auch transozeanisch eingesetzt werden kann, sich der Ort der Verformung aber nur sehr grob bestimmen lässt.
Die prinzipielle Verwendbarkeit beider Ansätze für Anwendungsfälle in den Geowissenschaften, der Ozeanographie und der Meeresbiologie wurde in Pilotstudien nachgewiesen. Die geografischen Standorte, an denen die Experimente durchgeführt wurden, die Dauer der Experimente, die Art und der technologische Entwicklungsstand der verwendeten Technologien unterscheiden sich ebenfalls erheblich von Land zu Land.
Nächster Schritt: Bereitstellung von Daten für Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Industrie
Der Stand der technologischen Entwicklung und der Zusammenarbeit zwischen den Infrastrukturen in diesem Bereich ist nun ausgereift genug, um den nächsten Paradigmenwechsel anzustreben: die Bereitstellung von Daten aus kontinuierlichen Beobachtungen über mehrere bestehende Unterwasser-Glasfaser-Telekommunikationskabel unter Verwendung einer standardisierten technologischen Konfiguration auf kontinentaler Ebene für die breitere wissenschaftliche Gemeinschaft, die Zivilgesellschaft und die Industrie.
Das Projekt SUBMERSE zielt darauf ab, eine Pilotaktivität zu entwickeln und durchzuführen, die als Blaupause für die künftige kontinuierliche Überwachung vieler weiterer Kabel dienen kann. Damit eröffnen sich neue Marktchancen und es wird demonstriert, wie Investitionen in Forschungsinfrastrukturen maximal ausgeschöpft werden können, indem die Nebenprodukte ihres Betriebs für die Zwecke neuer wissenschaftlicher Forschung genutzt werden. Dies würde zu einer Integration etablierter regionaler und nationaler Forschungsinfrastrukturen führen, die über einheitliche Datenportale zugänglich würden und damit eine europäische Forschung von Weltrang ermöglichen, die bisher so nicht möglich war.
Die Projektkoordinatorin von SUBMERSE, Carmela Asero vom EFIS, fügt hinzu:
„Alle Partner freuen sich darauf, die Arbeit an diesem hoch innovativen Projekt aufzunehmen. Wir haben hier die Möglichkeit, etwas wirklich Erstaunliches zu tun, indem wir die bestehende Infrastruktur nutzen, um eine Welt neuer Daten bereitzustellen und zusammen mit den Forschungsgemeinschaften, die diese Daten nutzen, potenziell neue Entdeckungen zu machen!“
Projektarbeiten am GFZ
Unter Federführung von Frederik Tilmann, Leiter der GFZ-Sektion 2.4 „Seismologie“, leitet das GFZ Arbeitspaket 3 zu Anwendungsfällen und koordiniert ein Teilprojekt zur geowissenschaftlichen Nutzung der Kabel. Insbesondere werden am GFZ Methoden zur Lokalisierung von Erdbeben mithilfe der gewonnenen Daten entwickelt und implementiert. Darüber hinaus werden Beiträge zur Kalibrierung der Daten mit Hilfe von konventioneller Ozeanbodensensorik geleistet.
Text: GFZ, Foto: Jorge Guillen auf Pixabay