Südatlantik beeinfluss Meeresströmungen
15 Jahre nach der Gründung der internationalen SAMOC-Initiative wurden erhebliche Fortschritte bei der Beobachtung und dem Verständnis der südatlantischen Komponente der Atlantischen Meridionalen Umwälzzirkulation (AMOC) erzielt. Dieses globale Meeresströmungssystem ist für unser Wetter und Klima von entscheidender Bedeutung. Eine aktuelle Publikation unter Beteiligung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel fasst die jüngsten Fortschritte zusammen. Ein ergänzender Kommentar gibt Einblicke in die integrative und vielfältige Kultur unter den SAMOC-Wissenschaftler:innen.
Als globales System von Meeresströmungen verteilt die Atlantische Meridionale Umwälzzirkulation (Atlantic Meridional Overturning Circulation, AMOC) Wärme, Salz und Kohlenstoff um die Erde. Damit beeinflusst sie unser Wetter und Klima sowie gesellschaftlich relevante Aspekte des Klimawandels. Der Südatlantik spielt in diesem globalen Förderband eine einzigartige Rolle: Erstens ist es die einzige Ozeanregion, die Wärme in Richtung Äquator transportiert – normalerweise wird Wärme vom Äquator in Richtung der Pole gebracht. Und zweitens sind nur im Südatlantik die obere und tiefe Zelle der AMOC so deutlich ausgeprägt. In den oberflächennahen Schichten der oberen Umwälzzelle der AMOC wird warmes und salziges Wasser nach Norden in hohe Breiten transportiert. Im hohen Norden kühlt dieses Wasser ab, sinkt und fließt als kaltes Tiefenwasser in einem tiefer liegenden Abschnitt der oberen Zelle äquatorwärts zurück. Unterhalb dieser oberen Zelle befindet sich die zweite Umwälzzelle, die tiefe oder abyssale Zelle. Sie enthält die kältesten und dichtesten Wassermassen des Weltozeans, welche sich an der Eiskante der Antarktis bilden.
Wissenschaftler:innen aus Argentinien, Brasilien, Frankreich, Deutschland, Südafrika und den Vereinigten Staaten von Amerika geben nun einen Überblick über die Forschung zur AMOC mit Schwerpunkt auf dem Südatlantik. In dem in der Fachzeitschrift Nature Communications Earth & Environment veröffentlichten Artikel fasst das Autor:innen-Team unter Leitung der argentinischen Wissenschaftlerin Dr. Maria Paz Chidichimo Erkenntnisse über Umwälzströmungen, den interozeanischen Austausch sowie die Verteilung und den Weg der Wassermassen im Südatlantik aus den Beobachtungen der vergangenen 15 Jahre zusammen.
Der Übersichtsartikel stützt sich auf Forschungsarbeiten, die im Rahmen der internationalen Initiative South Atlantic Meridional Overturning Circulation (SAMOC) durchgeführt wurden. Diese wurde 2007 mit dem Ziel gegründet, klimarelevante ozeanische Massen-, Wärme- und Süßwasserflüsse zu überwachen. Ihre Mitglieder nutzen verankerte Installationen von Messgeräten (Verankerungs-Arrays) und schiffsgestützte hydrographische Beobachtungen, Argo-Drifter und an der Oberfläche treibende Bojen sowie Daten von globalen Satelliten. Die Informationen werden verwendet, um numerische Modelle und Klimavorhersagen zu validieren und zu verbessern und um die Auswirkungen der SAMOC auf Klima und Wetter zu verstehen.
Verankerungs-Daten des GEOMAR unterstützen die SAMOC-Initiative
Das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel unterstützt die SAMOC-Initiative mit dem Array für die Tropische Atlantikzirkulation und Umwälzung bei 11°Süd (Tropical Atlantic Circulation and Overturning Array at 11°S, TRACOS), das aus Verankerungen auf der westlichen und östlichen Seite des tropischen Atlantiks besteht, die die gesamte Wassersäule abdecken. „Mit den TRACOS-Beobachtungen am westlichen Rand überwachen wir die Variabilität des westlichen Randstromsystems, das eng mit der Variabilität der AMOC und der Subtropischen Zelle, einer anderen, flacheren Umwälzzelle im tropischen Atlantik, verbunden ist“, sagt GEOMAR-Wissenschaftlerin Dr. Rebecca Hummels. „Zusammen mit Beobachtungen am Ostrand des Atlantiks erfassen wir die Variabilität der AMOC auf diesem Breitengrad und versuchen, die Rolle der Variabilität der Randstrom-Systems, des Windes und der inneren Ozeanzirkulation auf die AMOC-Variabilität zu entschlüsseln. Dadurch hoffen wir, die Ursachen der Variabilitätsmuster zu verstehen, die dann für zukünftige Vorhersagen genutzt werden können.“
Der Ausbau des SAMOC-Beobachtungsnetzes in den vergangenen zehn bis 15 Jahren, insbesondere entlang der Linie des SAMOC-beckenweiten Arrays (SAMOC Basin-wide Array, SAMBA) bei 34,5°S und der TRACOS-Linie bei 11°S, hat wichtige Informationen über die Struktur und Variabilität des AMOC-Volumentransports an diesen beiden Breitengraden sowie über die Struktur und zeitliche Variabilität der Strömungen entlang der westlichen und östlichen Randstrom-Systems des Südatlantiks geliefert. Bei 34,5°S wurden auch Schätzungen des Wärmetransports durch die AMOC und des Volumentransports durch die abyssale Zelle anhand von Verankerungsdaten vorgenommen.
Forschungsfahrten zur Wartung der Verankerungs-Arrays bei 34,5°S und 11°S haben auch die Anzahl der in der Region verfügbaren hydrographischen Profile in voller Tiefe erheblich erhöht. „Im Mai und Juni dieses Jahres werden wir die achte Forschungsfahrt zur Instandhaltung des westlichen Teils des TRACOS-Arrays durchführen“, kündigt Dr. Rebecca Hummels an. „Auf dieser Fahrt werden wir eine zusätzliche biologische Komponente in enger Zusammenarbeit mit brasilianischen Wissenschaftler:innen, hauptsächlich aus Recife, durchführen.“ Die Expedition unter der Leitung von Dr. Hummels mit dem deutschen Forschungsschiff MARIA S. MERIAN beginnt am 11. Mai 2023 in Recife (Brailien) und endet am 15. Juni 2023 in Ponta Delgada (Azoren, Portugal).
Integrative Wissenschaft von Beginn an
Die transatlantische Forschungsreise spiegelt die enge Zusammenarbeit innerhalb der SAMOC-Gemeinschaft im Allgemeinen wider, die ein Kommentar über die integrative Wissenschaft in der SAMOC-Gemeinschaft hervorhebt, der dem Übersichtsartikel beigefügt ist. „Bereits im ersten SAMOC-Exekutivkomitee waren Wissenschaftler:innen aus der nördlichen und der südlichen Hemisphäre gleichermaßen vertreten, ebenso wie eine Gleichverteilung der Geschlechter. Was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte, unterscheidet die SAMOC-Gemeinschaft von großen Forschungsprogrammen und -initiativen“, betont Dr. Rebecca Hummels, die auch an dem Kommentar mitgewirkt hat.
Dem Übersichtsartikel zufolge hat sich der Südatlantik von der Oberfläche bis in die Tiefe und das Abyssal erwärmt, und der Salzgehalt im oberen Südatlantik hat zugenommen, während die Wassermassen im Zwischen-, Tiefen- und Abyssalbereich an Salzgehalt verlieren. Jüngste Beobachtungen und Modellierungen deuten auch darauf hin, dass eine Verringerung der Stärke der AMOC aufgrund der menschenverursachten Erderwärmung mit einem Temperaturanstieg und der Versalzung des Südatlantiks in Verbindung steht – genau das, was die SAMOC-Wissenschaftler:innen auch beobachten. Schwankungen in der Stärke der AMOC können erhebliche gesellschaftlich relevante Auswirkungen auf den Meeresspiegel an den Küsten, marine Hitzewellen, extreme Wetterereignisse und Verschiebungen des regionalen Wetters und des globalen Klimas haben.
Text: GEOMAR, Foto: GEOMAR/Johannes Karstensen