Vor 110 Jahren
Vor 110 Jahren haben die Seenotretter mit der Motorisierung ihrer Rettungsflotte begonnen. Das erste Motorrettungsboot der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) fuhr im März 1911 seinen ersten Einsatz vor Laboe auf der Ostsee.
Erst zwei Monate zuvor hatte die DGzRS den Neubau mit Namen „OBERINSPECTOR PFEIFER“ in Dienst gestellt. Das zehn Meter lange, knapp drei Meter breite und mit etwa 60 Zentimetern Tiefgang sehr flachgehende Boot trug zehn Mann Besatzung, da neben dem Motorantrieb weiterhin Platz für acht Ruderer vorgesehen war. Petroleum speiste den Zweizylindermotor. Für den Anlasser wurde Benzin mitgeführt. Mit der Namengebung würdigte die DGzRS den Bremer Georg Pfeifer (1848-1910), der ab 1885 rund 25 Jahre lang ihr Oberinspektor war und die Motorisierung der Rettungsflotte maßgeblich vorangetrieben hatte.
Die Entscheidung, motorisierte Rettungseinheiten nach amerikanischem und britischem Vorbild bauen und einige vorhandene Segelrettungsboote entsprechend umrüsten zu lassen, glich zu Beginn des 20. Jahrhunderts einer technischen Revolution. Bis dahin hatten Dampf- und Motorkraft von Schleppern nur in Einzelfällen geholfen, die geruderten oder gesegelten Rettungsboote der DGzRS bei zu starker Strömung und Gegenwind in die Nähe des Einsatzortes zu befördern. Üblich war seinerzeit die Fortbewegung mit Muskelkraft und Wind. Pferdegespanne transportierten die in festen Schuppen an Land stationierten Boote zum Strand. Die Einsätze waren gleichermaßen beschwerlich und gefährlich.
Bereits im Jahr ihrer Indienststellung rettete die „OBERINSPECTOR PFEIFER“ zwölf Menschen aus Seenot. Die ersten Erfahrungen der Besatzung waren überaus positiv. „Das Boot und der Motor bewährten sich in der schweren See vorzüglich, auch lief das in der Brandung übergenommene Wasser gut wieder ab“, berichtete der Vormann der Station Laboe nach einem Einsatz. Nur zwei Jahre später verfügte die DGzRS über 14 motorisierte Rettungsboote, davon acht offene Motorrettungsboote sowie sechs nachgerüstete ehemalige Segelrettungsboote, stationiert an den wichtigsten Punkten der Nord- und Ostseeküste.
Nach dem Ersten Weltkrieg folgten halbgedeckte Motorrettungsboote mit platzsparenden und zuverlässigeren Dieselaggregaten. Die Entwicklung der schnellen Seenotrettungskreuzer mit Tochterboot, beginnend in den 1950er Jahren, prägt das Gesicht der Rettungsflotte bis heute.
110 Jahre nach Indienststellung ihres ersten Motorrettungsbootes setzt die DGzRS 2021 mit ihrem jüngsten Neubau, dem noch ungetauften Seenotrettungskreuzer SK 41 für die Station Grömitz, erneut Maßstäbe im Spezialschiffbau: Während die OBERINSPECTOR PFEIFER seinerzeit bei 15 PS Leistung mit maximal 6,5 Knoten unterwegs war, bringen zwei zusammen fast 4.000 PS starke Hauptmaschinen SK 41 auf 24 Knoten Fahrt.
Eine Sache hat sich allerdings nicht geändert: Wie die gesamte Arbeit der DGzRS wurde auch ihr jüngster Neubau durch Spenden finanziert, ohne jegliche staatlich-öffentliche Mittel zu beanspruchen.
Text u. Fotos: Die Seenotretter – DGzRS
Neuester Stand der technischen Entwicklung bei der DGzRS: "SK 41" für die Station Grömitz gehört zur 28-Meter-Klasse.