„Zum Glück ist er auf unserer Seite!“
Der Einladung des Deutschen Maritimen Instituts (DMI) zum 7. Maritimen Kolloquium am 18. Juni unter dem Leitthema „Maritime Innovation & Digitalisierung“ in Wilhelmshaven folgten rund 80 Gäste aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Verbänden und Marine. Die gemeinsam von DMI, griephan, Deutschem Marinebund und Einsatzflottille 2 ausgerichtete Veranstaltung wurde auch von der Stadt Wilhelmshaven freundlich unterstützt. Bei maritimer Atmosphäre im ATLANTIC Hotel war dies eine gute Gelegenheit, sich wieder einmal mit alten Bekannten auszutauschen und neue Kontakte zu knüpfen.
Der Präsident des DMI, Vizeadmiral a.D. Hans-Joachim Stricker begrüßte die Gäste und gratulierte dem Oberbürgermeister der Stadt Wilhelmshaven Andreas Wagner zum 150. Geburtstag – natürlich nicht seinem eigenen, sondern dem der Stadt. Und der Lacher zu diesem sprachlichen Spaß bewies gleich zu Beginn, dass dies ein entspanntes Treffen unter Freunden war. Flottillenadmiral Ralf Kuchler, Kommandeur der Einsatzflottille 2, nahm sich des Themas mit dem Hinweis an, dass die Digitalisierung der Marine im Grunde mit der Indienststellung der ersten Rechnerschiffe der Marine, nämlich der Zerstörer der LÜTJENS-Klasse bereits vor 50 Jahren begonnen habe und spannte den Bogen bis zur Fregatte 125, dessen Typschiff „Baden-Württemberg“ tags zuvor feierlich in Dienst gestellt worden war.
Große Tage also in Wilhelmshaven – und daher ließ es sich auch ein zufriedener Oberbürgermeister nicht nehmen, den Gästen einen guten Verlauf und gute Gespräche zu wünschen. Auf das Thema eingehend, wies er auf dessen Relevanz für die NATO, die EU und den europäischen Gedanken hin und schloss mit der Einschätzung „BREXIT geht gar nicht“.
Heinz Schulte, Herausgeber der griephan Briefe, führte als erfahrener und wie gewohnt charmanter Moderator in die Riege der Vortragenden des Panel I ein. Prof. Dr. Gary S. Schaal von der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg ging auf Digitalisierung als zentralen Treiber aller Innovationen in Deutschland ein und lobte die deutsche Innovationsfähigkeit, insbesondere die des Mittelstandes. Auch für Bund und Länder fand er hinsichtlich Forschung und Entwicklung positive „Status Quo Bewertungen“. Er beschrieb die Vulnerabilität der maritimen Wirtschaft – und die noch nicht genutzten Chancen zu besserer Vernetzung.
Doreen Thoma, Referatsleiterin beim Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrografie, führte die Zuhörer gedanklich weit in die Geschichte zurück zu den Anfängen des BSH und spannte somit den Bogen vom Beginn der Norddeutschen Seewarte bis zum heutigen Begriff der E-Navigation. Die Frage, ob beispielsweise ein Sextant überhaupt noch an Bord sein müsste, wurde noch in der Pause weiterdiskutiert.
Prof. Dr. Bettar O. el Moctar von der Universität Duisburg-Essen referierte mit dem Schwerpunkt Binnenschifffahrt und erläuterte die Bedeutung zukünftigen automatisierten Fahrens für das zukunftsorientierte Berufsbild des Binnenschiffers, für die Wirtschaftlichkeit und Projekte des Rhein-Ruhr Smart Shipping Centers.
Seine Thesen waren ein Diskussionspunkt in der darauffolgenden von Heinz Schulte moderierten Aussprache. Hier wurde auch die Rolle der Politik bewertet, die aufgrund des Föderalismus und unserer demokratischen Regelwerke nicht so beschleunigen kann wie sie eigentlich müsste. Im Gedächtnis bleiben wird dazu wohl die Bemerkung von Professor Schaal, dass wir in Deutschland „systemische Bremsen“ haben.
Konteradmiral a.D. Ulrich Otto führte nach der Pause die Zuhörerschaft in das Panel II ein, welches sich mit den Chancen und Risiken der Digitalisierung für die Marine befasste. Die beiden Vortragenden, Axel Leicht von Thales Deutschland und Fregattenkapitän Dr. Robert Koch vom Kommando Cyber- und Informationsraum, fesselten die Zuhörer mit sehr anspruchsvoller Thematik und forderten das Publikum mit komplexen Sachverhalten.
Axel Leicht zeigte auf, welche Entwicklungsprozesse die „Verteidigungsplattformen“ – er meinte Schiffe, Flugzeuge und Panzer – in den letzten Jahrzehnten gemeistert und welche atemberaubend schnellen Entwicklungsschritte wir in den nächsten Jahren zu erwarten haben. Früher gingen 10 Prozent der Entwicklungsanteile für Rechnerleistungen ein, heute sind es nahezu 40 Prozent. Mit vielen Beispielen zu digitalen Anwendungen beendete er seinen Vortrag, nicht ohne auch auf ethische Aspekte einzugehen.
Dr. Koch nahm das Publikum mit in eine für die meisten völlig unbekannte Welt, indem er über zukünftige Möglichkeiten der digitalen Entwicklung vortrug, ja sogar philosophische Ansätze formulierte. Ob Fotografieren mit dem Augapfel des „Menschen 2.0“, die verblüffenden Entwicklungen von elektronischem Speicher (wer wusste vorher was ein „Petabyte“ ist?) oder reale Bedrohungen durch Trojaner, Dr. Koch trug kreativ formulierend vor – insbesondere zu Bedrohungen für Kriegsschiffe. Sein Fachwissen ließ aufhorchen und zum Schluss formulierte es ein Zuhörer so: „Zum Glück ist er auf unserer Seite“.
Abschließend dankte Vizeadmiral a.D. Hans-Joachim Stricker den Vortragenden, Unterstützern und Organisatoren, um dann zum Empfang zu laden.
Mit vielen guten Gesprächen in der Lobby und auf der Terrasse mit Seeblick endete ein gelungenes Kolloquium für einige erst in den späten Abendstunden.
Text: Holger Schlüter, Foto: Hartmut Renzel
Bericht, Vorträge und weitere Fotos: Deutsches Maritimes Institut