Schwankungen im arktischen Kohlenstoffkreislauf
Die Arktis erwärmt sich rund zwei bis drei Mal schneller als der Rest unseres Planeten. Es ist deshalb wichtig, zu verstehen, was dort passiert und welche Auswirkungen die dortigen Änderungen auf globaler Skala haben. Forscherinnen des GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und des Alfred-Wegner-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, Bremerhaven haben 2018 erstmals die saisonale Entwicklung des im Wasser gelösten Kohlenstoffs untersucht, der den marinen Mikroorganismen in der Region westlich von Spitzbergen zur Verfügung steht. Ihren Ergebnissen zur Folge gibt es erhebliche Unterschiede zwischen Sommer und Herbst. Die Studie ist nun in der Fachzeitschrift Philosophical Transactions of the Royal Society A erschienen.
Die Polarregionen sind vom Klimawandel besonders betroffen. Hier finden Veränderungen sehr rasch statt, aufgrund der extremen klimatischen Bedingungen stellt die Forschung in diesen Regionen aber eine große Herausforderung dar. Oft sind viele Gebiete nur im Sommer sicher erreichbar. So betreibt das Alfred-Wegner-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, Bremerhaven (AWI) die Zeitserie „HAUSGARTEN“ westlich von Spitzbergen, wo seit 25 Jahren jeden Sommer Proben genommen werden. Anhand dieser Proben wird verglichen, wie viel Kohlenstoff den dort im Meerwasser lebenden Mikroorganismen zur Aufnahme zur Verfügung steht und wie aktiv diese sind.
Nun hat eine Gruppe von Wissenschaftlerinnen vom GEOMAR und dem AWI untersucht, wie sich die Verfügbarkeit dieses Kohlenstoffmaterials innerhalb eines Jahres verändert. „Erst wenn wir verstanden haben, wie der Jahreszyklus des im Meerwasser gelösten Kohlenstoffs aussieht, können wir verschiedene Jahre untereinander vergleichen“, erklärt Anabel von Jackowski, Doktorandin und Erstautorin der Studie, die jetzt in der internationalen Fachzeitschrift Philosophical Transactions of the Royal Society A erschienen ist. Dies ist eine der ersten Studien überhaupt, die sich mit den saisonalen Schwankungen für die arktische Region westlich von Spitzbergen beschäftigt. Dafür nutzte das Team im Jahr 2018 zwei Expeditionen: Im Juli wurden mit dem Forschungsschiff POLARSTERN die normalen, alljährlichen Proben für die Zeitreihe genommen. Im Herbst konnten dann bei einer zweiten Ausfahrt mit der MARIA S. MERIAN von September bis Oktober weitere Proben gewonnen und mit denen vom Sommer verglichen werden.
„Dabei haben wir herausgefunden, dass sich im Herbst die Menge des im Meerwasser gelösten Kohlenstoffs gegenüber den Sommermonaten halbiert hat“, erklärt von Jackowski. Das liegt daran, dass das Plankton, das diesen Kohlenstoff freisetzt, im Herbst nicht mehr genug Licht hat, um eine Phytoplankton-Blüte auszubilden. Auch die Aktivität und Menge der Mikroorganismen sei gesunken. Diese Faktoren werden laut den Forscherinnen vor allem durch das Kohlenstoffangebot reguliert. Aber auch Temperaturänderungen könnten eine Rolle spielen. In einer Sache sind sich die Forschenden aber einig: Der Kohlenstoffkreislauf wird sich aufgrund des Klimawandels ändern. Zurzeit wirkt die Arktis als Kohlenstoff-Senke, die mehr CO2 aus der Atmosphäre aufnimmt und in der Tiefe einlagert, als sie abgibt. Durch wärmere Temperaturen könnte sich das aber zukünftig ändern. Auch deshalb ist das Verständnis der saisonalen Schwankungen und deren Ursachen elementar.
„Unsere Studie unterstreicht die Bedeutung der zeitlichen Variabilität der mikrobiellen Prozesse in der Arktis und die Notwendigkeit, die saisonalen Verschiebungen in solch empfindlichen Umgebungen zu verstehen, um die Auswirkungen des Klimawandels zu entschlüsseln“, fasst Prof. Dr. Anja Engel, Forschungsleiterin des Projekts „MicroArc“, zusammen. Die Studie ist im Rahmen dieses deutsch-britischen Projekts entstanden. Damit wird eine wichtige Wissenslücke geschlossen: Zwar gab es bereits in Nordamerika Projekte, die sich mit der Entwicklung des Kohlenstoffmaterials in der Arktis befasst haben, allerdings mit Proben aus dem Frühling und in anderen Regionen als in dieser Studie. Deshalb ist die Studie ein entscheidendes neues Bauteil für das Verständnis der Prozesse in der Arktis.
Text: GEOMAR, Foto: Anabel von Jackowski/GEOMAR