10 Jahre Weltnaturerbe: Das Wattenmeer im Klimawandel
Vor zehn Jahren wurde das Wattenmeer von der UNESCO als Weltnaturerbe der Menschheit anerkannt. Grundlage ist der Schutz des gesamten Wattenmeeres durch Nationalparks oder vergleichbare Schutzgebiete von Dänemark bis in die Niederlande. Eine grenzüberschreitende Herausforderung stellt der Klimawandel dar, dessen Folgen für Naturschutz und Küstenschutz Umweltminister Jan Philipp Albrecht mit fachkundigen Expertinnen und Experten bei einer Wattwanderung nach Langeneß diskutierte.
„Zehn Jahre Weltnaturerbe Wattenmeer sind ein Grund zur Freude und Mahnung zugleich: Der Klimawandel bedroht das Wattenmeer. Dass der Meeresspiegelanstieg diese Schönheit und Weite zerstören kann, zeigt einmal mehr, wie dringend wir handeln müssen und echten Klimaschutz brauchen“, sagte Albrecht.
Der Minister informierte sich über den insgesamt guten ökologischen Zustand des Weltnaturerbes. So verringert sich die Schadstoffbelastung seit langem und die meisten Salzwiesen entwickeln sich wieder natürlich. Mit Anwohnern, Muschelfischern und anderen Nutzern wurden viele einvernehmliche Regelungen getroffen.
Einige Entwicklungen geben allerdings Anlass zur Sorge. So lässt der Klimawandel die Nordsee wärmer werden. In den 50 Jahren seit 1962 stieg ihre mittlere Temperatur bei Helgoland um 1,7 Grad. Arten wie Dorade, Sardelle und Wolfsbarsch wanderten ins Wattenmeer ein, kälteliebende Arten wie Kabeljau und Anglerfisch verlassen es allmählich. Viele Veränderungen des Ökosystems gehen damit einher, beispielsweise beim Plankton, das die Nahrungsgrundlage für alle Tiere bildet.
Die Bestände der häufigsten Brut- und Rastvogelarten im Wattenmeer nehmen ab. So brüten heute nur noch halb so viele Austernfischer im Wattenmeer wie vor 20 Jahren. Bei vielen Zugvögeln, die als arktische Brutvögel in ihren Brutgebieten deutlich extremere Klimaveränderungen erfahren, beispielsweise beim Knutt, haben sich die Bestände ebenfalls halbiert.
Die Anerkennung als Welterbe hat Projekte mit Partnern im internationalen Wattenmeer und darüber hinaus bis nach Afrika initiiert, um gemeinsam den Vogelzug von der Arktis bis in die afrikanischen Überwinterungsgebiete zu erforschen, die ökologischen Zusammenhänge und die Ursachen für Bestandsrückgänge zu erkennen und Schutzmaßnahmen zu entwickeln. Mit Dänemark und den Niederlanden werden Konzepte zum Umgang mit invasiven Arten und zur nachhaltigen Fischerei entwickelt.
Die 2015 von der Landesregierung verabschiedete „Strategie für das Wattenmeer 2100“ zeigt, dass in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts ein beschleunigter Meeresspiegelanstieg dazu führen könnte, dass ausgedehnte Wattflächen bei Niedrigwasser nicht mehr trockenfallen. Das Wattenmeer soll aber als Lebensraum für Natur und Mensch und mit seinen Funktionen für den Naturschutz und den Küstenschutz langfristig erhalten bleiben. Albrecht: „Wir müssen alles daransetzen, den Klimawandel so gut wie möglich zu begrenzen. Das ist die wichtigste Aufgabe unserer Generation. Wir sind verpflichtet, das Wattenmeer für Natur und Mensch zu erhalten und diesen weltweit einzigartigen Naturraum zu schützen. Ergänzend sind regionale Klimaanpassungsmaßnahmen erforderlich. Das Menschheitserbe Wattenmeer braucht beides.“
Hintergrund:
Das Wattenmeer Schleswig-Holsteins, Niedersachsens und der Niederlande wurde am 26.06.2009 in Sevilla vom UNESCO-Welterbe-Komitee in die Liste „Erbe der Menschheit“ aufgenommen. 2011 wurde das Weltnaturerbe um das hamburgische Wattenmeer, 2014 um das dänische Wattenmeer erweitert. Es erstreckt sich damit heute über 500 Kilometer Küstenlänge, von Esbjerg in Dänemark bis nach Den Helder in den Niederlanden, und ist 11.500 Quadratkilometer groß. Der Anteil Schleswig-Holsteins am Weltnaturerbe beträgt 4.400 Quadratkilometer und damit mehr als ein Drittel.
Das Weltnaturerbe bildet das größte zusammenhängende Sand-Schlickwattsystem der Welt, mit dynamischen Prozessen, die in einem weitgehend ungestörten Naturzustand ablaufen. Für geologische und ökologische Prozesse sowie für den Erhalt der biologischen Vielfalt hat das Wattenmeer eine weltweit herausragende Bedeutung. Rund 10.000 Arten leben hier, von einzelligen Organismen bis zu höheren Pflanzen und Tieren. Spektakulär ist der Vogelzug im Frühjahr und Herbst, wenn bis zu zwölf Millionen Vögel im Wattenmeer, dem vogelreichsten Gebiet Europas, Nahrung suchen.
Die Welterbe-Anerkennung ist die höchste Auszeichnung, die die Weltgemeinschaft für einen Nationalpark zu vergeben hat. Sie gilt als „Nobelpreis für Natur“. In Deutschland ist neben dem Wattenmeer die Fossiliengrube Messel als Weltnaturerbe ausgewiesen, außerdem fünf alte Buchenwälder gemeinsam mit Wäldern in Mittel- und Osteuropa.
Text: MELUND, Foto: Hilke Ohrt