Baltic Sea Region Future Forum
Schleswig-Holstein bringt die Zusammenarbeit im Ostseeraum voran und stellt sie mit deutlichen Impulsen auf eine neue Grundlage. Die Landesregierung hat dazu am 26. August auf dem Baltic Sea Region Future Forum die Kieler Erklärung „für eine nachhaltige und prosperierende Ostseeregion 2030“ vorgelegt. Darin setzt die Landesregierung auf eine engere Zusammenarbeit unter anderem in den Bereichen Klimaschutz, Digitalisierung, Infrastruktur, Wissenschaft, Kultur und Jugendaustausch. An dem Forum nahmen 120 Teilnehmende aus nahezu allen Anrainer-Staaten der Ostsee teil.
Russland war wegen des am 24. Februar begonnenen Angriffskrieges gegen die Ukraine nicht in der Runde vertreten. „Das Ausscheiden Russlands aus der regionalen Kooperation birgt neue Herausforderungen“, heißt es in der Erklärung.
„Wenn die Demokratien rund um die Ostsee enger zusammenrücken, das stärkt unser friedliches Zusammenleben“, sagte Ministerpräsident Daniel Günther zum Auftakt der Konferenz. Der Ostseeraum sei ein „Chancenraum“. Den müssten die Anrainer noch mehr nutzen und gestalten. „Wir alle wollen eine saubere und munitionsfreie Ostsee. Wir wollen gleichermaßen Wohlstand und Klimaschutz und setzen dabei auf erneuerbare Energien und grüne Technologie. Wir alle streben danach, die Digitalisierung zu unserem Wohl zu gestalten“, sagte Günther.
Europaminister Werner Schwarz sagte: „Der Ostseeraum ist Zukunftsraum! Die aktuellen Herausforderungen zeigen, wie wichtig eine enge Zusammenarbeit bei Zukunftsthemen für den Ostseeraum ist. Wir wollen daher unsere ostseepolitische Arbeit schärfen und anhand klarer politischer Schwerpunkte ausrichten. Dazu zählt unter anderem regionale Kooperationen beispielsweise im Rahmen von STRING (South Western Baltic Sea Transregional Area – Implementing New Geography) weiter auszubauen. Unser Ziel ist zum Beispiel eine leistungsstarke Zugverbindung, die uns in Zukunft von Hamburg nach Oslo in 9 Stunden anstatt von 14 Stunden bringt. Das nützt den Menschen und der Wirtschaft gleichermaßen. Und zwar nachhaltig!“
Energieminister Tobias Goldschmidt fügte hinzu: „Für die Energiewende als großes Europaprojekt ist der Ostseeraum eine Schlüsselregion. Hier schlummern viele Potenziale, die wir im Schulterschluss heben wollen. Das gilt vor allem für den grenzüberschreitenden Ausbau klimaneutraler Infrastruktur wie Stromnetze und Ladesäulen. Und auch der Kampf für mehr Biodiversität und gegen Munitionsaltlasten im Meer wird vor allem gemeinsam erfolgreich sein. Doch Kooperation im Ostseeraum ist für mich noch mehr. Es ist der Gegenentwurf zur aggressiven und auf Eskalation angelegten Politik unseres russischen Ostsee-Nachbars. Je erfolgreicher die demokratischen Ostseeländer zusammenarbeiten, desto unabhängiger machen wir uns vom russischen Kriegsregime.“
Für die Zusammenarbeit im Ostseeraum brauche es gerade jetzt stärkere politische Führung, heißt es in der „Kieler Erklärung“. Die Vorsitzenden der Ostseeinstitutionen müssten dazu „stärker sichtbare Zeichen setzen“.
Im Einzelnen geht es dabei um:
- Grenzüberschreitende grüne Wasserstoffinfrastruktur: Diese solle dazu beitragen, bis 2040 Klimaneutralität zu erreichen. Ein zentrales Projekt ist „Greater4H“, bei dem Schleswig-Holstein die Federführung hat. Hier sollen entlang des Korridors Hamburg – Oslo mindestens zwölf Wasserstofftankstellen entstehen. Der grenzüberschreitende Korridor wäre der erste seiner Art, der vier Staaten umfasst. Die Signale der EU, sich an dem Vorhaben finanziell zu beteiligen, sind positiv.
- Eine Wasserstoffallianz soll 2023 an den Start gehen und einen Ansatz für alternative Kraftstoffe (Elektrifizierung und grüner Wasserstoff) entwickeln. Ziel ist die Dekarbonisierung des Verkehrssektors.
- Dekarbonisierung der Schifffahrt: Die Landesregierung will den Anteil emissionsfreier Schiffe auf der Ostsee erhöhen. Der Kreuzfahrttourismus soll klimafreundlicher werden.
- Zugverbindungen ausbauen und verbessern: Davon soll der gesamte Ostseeraum profitieren. Bis 2030 soll eine verbesserte Schieneninfrastruktur die Reisezeit von Oslo nach Hamburg von 14 Stunden auf 9 Stunden verkürzen. Teil des Projekts ist die bereits im Bau befindliche Fehmarnbeltquerung.
- Munitionsaltlasten in der Ostsee: Gemeinsam wollen die Ostseeanrainer dazu bei EU und Europarat um Unterstützung werben. Dazu müsse die EU-Kommission einen „Ostseefonds“ kofinanzieren. Entsprechende Forderungen hatte auch die Ostsee-Parlamentarierkonferenz bereits erhoben.
- Artenrückgang: Im Rahmen von HELCOM will die Landesregierung auf die Ausweisung zusätzlicher Schutzgebiete hinarbeiten, um den Artenrückgang in Fauna und Flora zu stoppen.
- Künstliche Intelligenz I: Die bestehenden Potenziale auf diesem Gebiet sollen stärker genutzt werden. Beispiele sind die Steuerung von Stromnetzen, automatische Datenanalysen, bei der Nutzung und Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energiequellen oder auch bei der Routenoptimierung für die Schifffahrt.
- Künstliche Intelligenz II: Kooperationen streben die Anrainer auch bei der Nutzung von KI-Systemen bei der Munitionsbeseitigung im Meer, für die Landwirtschaft oder im Gesundheitswesen an. Das Fachwissen um diese Schlüsseltechnologie soll ausgetauscht und ausgebaut, die Ostseeregion zu einer „KI-Vorzeigeregion“ entwickelt werden.
- Frauenförderung: Die Ostseeinstitutionen werden aufgefordert, Frauen in Führungspositionen besser zu fördern. Die Etablierung zivilgesellschaftlicher, ostseeweiter Frauennetzwerke soll unterstützt werden. Im Herbst dieses Jahres soll die Ostsee-Frauenkonferenz wiederaufleben.
- Jugend: Die Zusammenarbeit junger Menschen im Ostseeraum soll weiter intensiviert werden. Jugendliche sollen über das beim Ostseerat angesiedelte Jugendforum stärker in die Politikgestaltung einbezogen werden, z.B. durch die Etablierung eines Ostsee-Jugendwerkes.
- Schule/Hochschule: Der Schüleraustausch rund um die Ostsee soll intensiviert werden. Dazu gehören auch der Austausch von Medienkompetenz in der Bildung sowie gemeinsame Studienprogramme und der wissenschaftliche Austausch.
An der Veranstaltung nahmen neben zahlreichen Mitgliedern der Landesregierung auch Bundes-Außenministerin Annalena Baerbock (per Videobotschaft), EU-Kommissar für Umwelt, Ozeane und Fischerei, Virginijus Sinkevicius (online) sowie der Harvard-Wirtschaftsexperte Dr. Christian Ketels teil. Darüber hinaus waren viele Akteure des Ostseeraums vertreten: die Vorsitzenden der Ostseeparlamentarierkonferenz und der Ostsee-Kommission, der Generaldirektor des Ostseerates, Abgeordnete des Landtages und des Europäischen Parlaments sowie VertreterInnen von Wirtschaft und Wissenschaft.
Text: Staatskanzlei SH, Foto: oh