Ein Traum wird real
Kurz vor seinem 19. Geburtstag startete Johannes Li mit seiner Segelacht PARVA NAVIS, um seinen Traum zu realisieren: Als Einhandsegler die Erde umrunden. Damit wäre er der jüngste deutsche Einhand-Weltumsegler, der bisherige Rekordhalter ist Paul Graute, der im Jahr 1973 die Tour im Alter von 25 Jahren bewältigt hatte. Am 8. Juni hat Li zum Nachmittag-Hochwasser in Harlingen/Niederlande die Leinen losgeworfen. Sein erstes Etappenziel sind die Kapverdischen Inseln im Atlantik. Hier will Li Proviant übernehmen und seine Ausrüstung für die folgenden langen Törns optimieren. Die zurzeit geplante Route führt ihn um das Kap der Guten Hoffnung durch den Indischen Ozean nach Malaysia. Über Australien geht es durch den Südpazifik. Nach der Umrundung von Kap Hoorn steht dann der Rückweg durch den Atlantik an. Wenn alles rund läuft, will Li nach ca. 18 Monaten wieder zu Hause sein.
Geboren in Erfurt wuchs Johannes Li bis zu seinem 9. Lebensjahr bei seiner alleinerziehenden Mutter auf, die weitere Kindheit verbrachte er in einem Heim. Dort wurde es ihm mit Hilfe von gemeinnützigen Organisationen ermöglicht, einige Urlaube an der Küste zu verbringen. Dabei entdeckte er seine Liebe zum Meer und zum Wassersport. Nach seinem Schulabschluss absolvierte Li eine Ausbildung zum Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik. Anfang 2021 kam er zur Seefahrt und heuerte auf dem niederländischen Großsegler LOTH LORIEN an. Parallel sammelte er Yacht-Erfahrungen auf einem betagten Stahlboot, dass er für 200 Euro erstanden hatte. Dieses war jedoch für seine ambitionierten Pläne ungeeignet. Nach langem Suchen fand er sein aktuelles Boot, einen Nantucket Clipper 32, und rettete es vor dem Verfall. Der 1973 in England gebaute GFK-Langkieler hat eine Länge von 9,70 Meter und ist 2,80 Meter breit. Mit Hilfe von Sponsoren, die er über unermüdliche Arbeit in den sozialen Netzwerken fand, und sehr viel Eigenarbeit bereitete Li das Boot innerhalb von sechs Monaten für seine Unternehmung vor. Da er über keine Ersparnisse verfügt und auch keine Familie hat, die ihn unterstützt, ist er auf Spenden und Sponsoren angewiesen, was in der „Segler-Szene“ zum Teil für Kritik sorgte.
Leinen los! wird über den Verlauf der Unternehmung berichten und sprach vor Abfahrt mit dem Abenteurer.
Leinen los!: Was hat Dich auf die Idee gebracht, allein die Welt zu umrunden?
Johannes Li: Als Heimkind durfte ich mehrmals die Ferien in Grömitz an der Ostsee verbringen. Dort konnte ich an einem Segel-Schnupperkurs auf einem Opti teilnehmen. Von da an war es mein Traum, einmal alleine um die Welt zu segeln. Bereits mit 12 Jahren war ich so von Wind und Welle fasziniert, dass ich meinen internationalen Windsurfschein erworben habe.
Leinen los!: Wann begannst Du mit der konkreten Planung für diese Tour?
Johannes Li: Das war im Oktober 2021.
Leinen los!: Gibt es bestimmte Häfen, die Du unbedingt anlaufen willst?
Johannes Li: Fest steht nur Malaysia, dort werde ich einen Bekannten besuchen. Gerne möchte ich Kuba näher kennenlernen, dies ist eines meiner Traumziele. Für viele Hafenbesuche habe ich jedoch ganz einfach kein Geld in meiner Reisekasse.
Leinen los!: Wie wirst Du unterwegs Deine Kasse auffüllen?
Johannes Li: Ich habe ein Handwerk gelernt und eine mobile Werkstatt an Bord. Wenn es notwendig ist, werde ich unterwegs jobben. Und außerdem hoffe ich, dass während der Fahrt noch der eine oder andere Euro an Spenden auf meinem Konto eingeht.
Leinen los!: Auf was freust Du Dich am meisten auf Deiner Fahrt?
Johannes Li: Das lässt sich gar nicht genau sagen, eigentlich darauf, das ganze Projekt endlich zu realisieren. Und dann wird es sicherlich schön sein, wenn ich wieder ankomme und sagen kann: „Ich habe es geschafft“.
Leinen los!: Fürchtest Du die Einsamkeit unterwegs?
Johannes Li: Im Gegenteil, ich bin Asperger Autist und bevorzuge es, allein zu sein.
Leinen los!: Wir wünschen Dir eine schöne und erlebnisreiche Fahrt. Komm gesund wieder!
Dieser Beitrag ist in der aktuellen Ausgabe unserer Zeitschrift Leinen los! erschienen.
Da auf der PARVA NAVIS zu Beginn der Reise einige kleinere Schäden aufgetreten sind, hat der junge Erfurter vor Kurzem einen nordfranzösischen Hafen angelaufen, um dort mit Unterstützung befreundeter Hochseesegler Reparaturen durchzuführen.
In der Bordkasse herrscht zur Zeit Ebbe; wer das Projekt unterstützen möchte, kann auf diesem Wege einen Beitrag leisten: www.paypal.me/weltumsegelung
Text: Matthias Faermann / Fotos: Johannes Li