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Expesitionen der POLARSTERN

Drei Expeditionen mit der POLARSTERN verbessern das wissenschaftliche Verständnis von Rückkopplungen zwischen Eis, Ozean und Atmosphäre in der Ostantarktis. Das Eis in dieser Region speichert Wassermassen, die den Meeresspiegel bei fortschreitender globaler Erwärmung über Jahrhunderte hinweg um dutzende Meter ansteigen lassen können. Die beiden aktuellen Reisen stehen unter Leitung von Kieler Forschenden: Anfang Februar übergibt Dr. Marcus Gutjahr vom GEOMAR Helmholtz Zentrum für Ozeanforschung Kiel an Professor Dr. Sebastian Krastel von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Die nun endende Fahrt brachte wertvolle neue Erkenntnisse und Daten – stand jedoch auch im Zeichen besorgniserregender Beobachtungen.

Mit dem ersten Hafenanlauf des deutschen Forschungsschiffs POLARSTERN am 30. Januar in Hobart im australischen Staat Tasmanien steht auch eine Übergabe der wissenschaftlichen Fahrtleitung unter Kieler Forschenden an: Für Dr. Marcus Gutjahr, Geochemiker am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel endet eine überaus erfolgreiche zweimonatige Expedition zum Ostantarktischen Eisschild. Von ihm übernimmt Professor Dr. Sebastian Krastel, Geophysiker an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). Die beiden Expeditionen sind Teil eines Programms zur Erforschung Ostantarktischer Eisschild-Instabilitäten (East Antarctic Ice Sheet Instabilities, EASI).

Die drei EASI-Expeditionen dienen der Untersuchung von Rückkopplungen zwischen Eis, Ozean und Atmosphäre in der für das globale Klimasystem und den Meeresspiegel bedeutenden östlichen Antarktis. Der bis zu mehrere Kilometer dicke Eisschild auf dem Kontinent speichert hier Wassermassen, die den Meeresspiegel im Laufe der Jahrhunderte um dutzende Meter ansteigen lassen können. Deshalb ist es wichtig, seine zukünftige Entwicklung besser einzuschätzen. Die erste EASI-Fahrt fand bereits Anfang 2022 unter Leitung des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) statt. Bereits damals war Dr. Marcus Gutjahr mit an Bord.

EASI-2 – schwindendes Eis und Strömungssysteme im Wandel

In der Prydz-Bucht am Amery-Eisschelf erlebten die Forschenden um den Jahreswechsel 2023/2024 erstaunlich eisfreie Bedingungen. „Fast die gesamte Prydz-Bucht war frei von Meereis, es war deutlich weniger als im Durchschnitt der vergangenen vier Jahrzehnte. Nur der südöstlichste Teil war eine Eislandschaft, wie man sie sich in der Antarktis vorstellt“, berichtet Dr. Marcus Gutjahr. „Unsere Messungen in der 150 Kilometer breiten Bucht zeigten, dass die Oberflächentemperaturen weit über dem Gefrierpunkt von Salzwasser lagen. Während die tieferen Wasserschichten charakteristisch kalte Temperaturen unter minus 1,8 Grad Celsius hatten, war das regionale Oberflächenwasser deutlich wärmer.“

Über Weihnachten bescherten Echolot-Messungen den Geolog:innen an Bord zudem neue Aufnahmen der Topografie des Meeresbodens in der Region. Sie zeigten deutliche glaziale Erosionsspuren aus vergangenen Kaltzeiten. Außerdem unterschieden sich die Messergebnisse deutlich von bisherigen Darstellungen, welche auf Satelliten-Daten beruhten. Die neuen Einblicke werden helfen, international maßgebende Karten zu verbessern. Mit dem Bordhubschrauber der POLARSTERN steuerten Forschende zudem die Küste an, um Proben von Eis, Sediment und Gestein für Analysen und Experimente zu sammeln. So wird etwa am GEOMAR die Verwitterung dieses besonders reinen Gesteins und der darin enthaltenen Spurenmetalle Blei oder Eisen weiter erforscht.

Ein weiteres wichtiges Ziel war der Denman-Gletscher, der unlängst durch Publikationen und Berichte über sein außergewöhnlich schnelles Schmelzen traurige Bekanntheit erlangte. „Unsere Daten bestätigen bereits publizierte Daten. Wir sehen eindeutig, dass der Gletscher unterhalb der Meeresoberfläche schmilzt und sich daher weiter ins Landesinnere zurückziehen wird“, fasst der Fahrtleiter die ersten Eindrücke zusammen.

Auf der Fahrt Richtung Australien verfolgten die Forschenden anhand von Probennahmen und Messungen, die sie etwa alle 100 nautische Meilen durchführten, Veränderungen in Temperatur und Salzgehalt in verschiedenen Wassertiefen sowie Konzentrationen von Spurenmetallen. „So können wir sehr gut die chemische Beschaffenheit des Wassers und die Herkunft der Wassermassen charakterisieren. Wir sind gespannt, wie ursprünglich die Zusammensetzung des Wassers hier noch ist“, erklärt Dr. Marcus Gutjahr. Zum Abgleich wurden an fast allen Wasserstationen auch Sedimentkerne aus dem Meeresboden gewonnen – sie enthalten Ablagerungen, die einen Rückblick in die geologische Vergangenheit ermöglichen. Der Kontrast zwischen Vergangenheit und Gegenwart verrät, wie kurzfristig sich klimatische Veränderungen auf die Meeresströmungen auswirken. „Die Zirkulation des Südozeans passt sich stets an das vorherrschende Klima an. Die drängende Frage ist nun, wie schnell sie auf die aktuelle globale Erwärmung regiert und so den globalen Austausch von Wassermassen beeinflussen kann.“

EASI-3 – Blick in die Erdgeschichte 

Die nun beginnende EASI-3-Expedition konzentriert sich auf die Eisschildveränderungen der Ostantarktis in der Vergangenheit. Bisher ist nur wenig über die Reaktion des Ostantarktischen Eisschildes auf die Klimaveränderungen bekannt, insbesondere an der Ozean-Kontinentalgrenze. Die Datenlage zur Morphologie des Schelfeises in dieser Region ist noch unzureichend. Auf der Fahrt unter Leitung der Universität Kiel sollen daher vor allem neue geologische und geophysikalische Daten und Proben gewonnen werden, die Einblicke in verschiedene Zustände vergangener Eisschilde eröffnen. So war es beispielsweise im Pliozän vor etwa drei bis fünf Millionen Jahren wärmer als heute. Die Forschenden erhoffen sich von den neuen Daten Rückschlüsse auf die Quantifizierung des Eisschildverhaltens unter anderem in diesem Zeitraum.

„Mit geophysikalischen Messungen im Ozean und an Land können wir weit in die Erdgeschichte zurückblicken. Durch die Kombination verschiedener geophysikalischer Systeme sind wir in der Lage, Strukturen in unterschiedlichen Tiefen mit bestmöglicher Auflösung abzubilden. So gelingt es uns, bis zu 1.000 Meter in den Meeresboden hineinzuschauen. Unser Ziel ist es, charakteristische Strukturen zu identifizieren, die uns Aufschluss über das Klima und die Beschaffenheit des Eisschildes in weit zurückliegenden Perioden erlauben“, erläutert der Geophysiker Professor Dr. Sebastian Krastel. Neben den marinen Untersuchungen im offenen Ozean sollen auf der Expedition EASI-3 auch landbasierte Probennahmen vom kontinentalen Schelf sowie küstennahen Lagunen und Seen durchgeführt werden. EASI-3 endet Mitte April in Walvis Bay, Namibia.

Erstanlauf in Australien

Zum Abschluss der EASI-2-Expedition machte POLARSTERN am 30. Januar 2024 im tasmanischen Hobart fest. Anlässlich des Erstanlaufs lädt die deutsche Botschaft in Australien Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft und Gesellschaft zu einem feierlichen Empfang an Bord ein. Die Öffentlichkeit kann sich in einer multimedialen Ausstellung im Stadtzentrum über die Polarforschung des Alfred-Wegener-Instituts und seiner Partner informieren, die gemeinsam mit der Stadt Hobart und den dort ansässigen Forschungsinstituten organisiert wird. Außerdem gibt es eine Paneldiskussion, die Auftakt für eine Reihe von „Climate Talks“ der deutschen Botschaft in Australien ist, sowie Austauschtreffen mit wissenschaftlichen Institutionen und politischen Interessensvertretungen.

Projekt-Förderung:

Die EASI-Expeditionen sind Teil der Programmorientierten Förderung (PoF) der Helmholtz-Gemeinschaft im Forschungsprogramm „Changing Earth – Sustaining our Future“, an dem AWI und GEOMAR beteiligt sind. Für die CAU liefern die Expeditionen wichtige Impulse für die Forschung innerhalb des universitären Forschungsschwerpunktes Kiel Marine Science (KMS). Die Forschenden werden u.a. über das Schwerpunktprogramm „Antarktisforschung“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.

Text: GEOMAR/CAU, Foto: Marcus Gutjahr, GEOMAR

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