Maritimer Zukunftsdialog
Von toxischer Weltkriegs-Munition am Meeresgrund bis zu klimafreundlichen Treibstoffen und Technologien künftiger Schiffsgenerationen, kein Zweifel: Die maritime Branche steht in den kommenden Jahren vor riesigen Herausforderungen – aber auch vor riesigen Chancen. Um das eine zu bewältigen und das andere zu nutzen, bringt die Landesregierung künftig Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Verwaltung im „Maritimen Zukunftsdialog“ an einen Tisch. Am 29. November fand im Gästehaus der Kieler Landesregierung der erste Austausch von 20 Expertinnen und Experten statt.
„Es geht um nicht mehr und nicht weniger, als einen Beitrag zum Erreichen der Klimaziele zu leisten und zugleich unsere maritime Branche im Land mit ihren rund 2.300 Betrieben und 37.000 Beschäftigten wetterfest zu machen“, sagte Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen zum Auftakt. Ein enger Schulterschluss von Wissenschaft, Wirtschaft, Politik, Verwaltung, Gewerkschaften und Umweltverbänden sei dabei nicht nur ein Ziel des Koalitionsvertrags, sondern auch eine Empfehlung des Wissenschaftsrates für Schleswig-Holstein. Madsen: „Denn in einem Land zwischen den Meeren haben innovative maritime Industrien und exzellente Meeresforschung locker das Potenzial dazu, sich weltweit als Leuchtturm der Hochtechnologie zu profilieren.“
Nach den Worten des Ministers komme innerhalb der maritimen Wirtschaft der Meerestechnik künftig eine besondere Rolle zu. Sie helfe dabei, die Umwelt zu schützen und die Energiewende voranzubringen. Er sei deshalb froh, Professor Sören Ehlers vom DLR-Institut für maritime Energiesysteme mit an Bord der Expertenrunde zu haben. Das Deutsche Institut für Luft und Raumfahrt (DLR) entwickelt, erprobt und integriert an seinem Standort in Geesthacht zusammen mit der Industrie emissionsarme und emissionsfreie Energiesysteme. „Hierzu gehören neben Transportkonzepten für alternative Kraftstoffe unter anderem Brennstoffzellen für Schiffe, aber auch Energiespeicher-, Verteilungs- und Beladungs-Infrastrukturen für emissionsarme oder -freie Kraftstoffe“, sagte Ehlers.
Sein Institut baue dafür in Kiel eine große Testinfrastruktur auf, um modulare Energie- und Schiffskonzepte zu entwickeln. Der Transport von reinem flüssigem Wasserstoff hat dabei aus Sicht von Ehlers die größten Potenziale, in Zukunft riesige Energiemengen zu transportieren – jedoch fehle es bislang an erprobten Tank- und Transfersystemen.
Mit Blick auf die Energie- und Hafenwirtschaft in Schleswig-Holstein zeigte sich neben Madsen auch der Maritime Koordinator der Landesregierung, Andreas Burmester, optimistisch: „Vor allem die Windenergiebranche wird trotz aller Herausforderungen dafür sorgen, dass wir weitgehend autark und damit attraktiv für weitere Ansiedlungen vom Kaliber des schwedischen Batterieherstellers Northvolt sind.“ Er sei unter anderem überzeugt, dass in den Nordseehäfen langfristig Industriearbeitsplätze für die Wartung von Offshoreanlagen entstehen und so den Wandel Schleswig-Holsteins zum grünen Industrieland beflügeln werden. „Der damit verbundene Strukturwandel wird neue Produkte wie autonome Fähren oder intelligente Verfahren zur Entsorgung von Munition im Meer entstehen lassen und so für hochwertige Arbeitsplätze sorgen“, sagte Burmester.
Madsen und Burmester erneuerten auch noch einmal ihren Appell an die Bundesregierung, dass im Zuge des Auf- und Ausbaus von Offshore-Windparks im deutschen Teil von Nord- und Ostsee künftig auch stärker die heimische Werftindustrie zum Zuge kommen müsse. „Die Bundesregierung muss den Netzbetreibern klare Vorgaben machen, dass die Aufträge an deutsche Standorte vergeben werden.“ Zudem könnten „lokale Vergabequoten“ helfen, die Wettbewerbsnachteile gegenüber hochsubventionierten ausländischen Anbietern auszugleichen.
Der Minister und der Maritime Koordinator halten es vor allem für geboten, dass etwa bei Vorhaben wie dem Bau von Komponenten für Konverter-Plattformen die Werften in Schleswig-Holstein berücksichtigt werden sollten. Für beide sei es nicht nachvollziehbar, dass die vom Verband für Schiffbau und Meerestechnik (VSM), der maritimen Industrie und von den Nordländern seit Jahren klar geforderten Maßnahmen für eine funktionierende Vergabe von Aufträgen an die heimischen Werften noch immer nicht umgesetzt worden seien.
„Unsere Werften verlieren den Anschluss an Europa und die Welt, wenn sie sich im Wettbewerb nicht positionieren können“, warnte Madsen. Dabei hätten sie die technische Kompetenz und die Erfahrung, um zu Deutschlands Ausbau der Offshore-Windkraft-Leistung beizutragen.
Text: WIMI, Foto: Frank Peter