Meer Platz gebraucht!
Energiewende, Schifffahrt, Rohstoffe, Fischerei und mehr: Die Flächenkonkurrenz auf dem Meer wächst mit den Zukunftsthemen. Beim 6. Maritimen Parlamentarischen Abend am 22. Mai 2024 diskutierte die IHK Schleswig-Holstein gemeinsam mit Politik und Experten, wie die berechtigten Interessen, Nutzungsformen und Chancen auf See in Einklang gebracht werden können.
„Fest steht: Wir brauchen sehr viel Platz auf dem Meer, wenn wir die Zukunft der Nearshore- und Offshore-Branchen gestalten. Beide bieten für Schleswig-Holstein ein hohes wirtschaftliches Potenzial und das muss ausgeschöpft werden“, betonte Knud Hansen, Vizepräsident der IHK Schleswig-Holstein. Weiter hob er hervor, wie entscheidend ein strategisches Management der Meeresflächen ist, um Konflikte zu vermeiden und Synergien zu fördern. „Die verschiedenen Nutzungen der maritimen Flächen müssen nicht notwendigerweise im Wettbewerb stehen, sondern können durch Zusammenarbeit und integrierte Planung effizient genutzt werden,“ ergänzte er. Aus diesem Grund sei ein Multi-Use-Ansatz von Flächen im Küstenmeer und in der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) voranzutreiben.
Hansen erklärte: „Jedes Anwendungsgebiet hat seine eigenen legitimen Interessen sowie Vor- und Nachteile. Um aber auch die langfristige Gesundheit und Nachhaltigkeit der Meeresumwelt sicherzustellen und zugleich wirtschaftliche Potenziale zu nutzen, ist eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligten und die Entwicklung gemeinsamer, innovativer Lösungen unerlässlich. Dies bedarf eines integrativen Ansatzes, der die Bedürfnisse und Perspektiven aller Stakeholder berücksichtigt und einen Ausgleich zwischen ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Zielen anstrebt.“
Dazu brauchen Wirtschaft und Wissenschaft auch Räume, um neue Technologien sowie Materialen testen zu können. Bei der Einrichtung dafür geeigneter Reallabore muss der regulatorische Rahmen flexibel und der zeitliche Rahmen verlässlich sein.
„Wir brauchen das Meer! Wir müssen es stärker als wirtschaftlichen Faktor betrachten und nicht nur als Erweiterung unserer Strände. Auf Bundesebene vermissen wir oft das Bewusstsein dafür, dass Themen wie Klimaschutz und Biodiversität, Flächenverbrauch, Energiegewinnung, Schutz kritischer Infrastrukturen, Tourismus und Rohstoffabbau ausreichend in ihren Wechselwirkungen erfasst und begriffen werden müssen,” so Hansen weiter.
Staatssekretärin Julia Carstens, Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus des Landes Schleswig-Holstein, betonte die Bedeutung des Küstenmeeres: „Die vielfältige nachhaltige Nutzung unserer Küstenmeere ist eine große gemeinsame Herausforderung! Damit Deutschland seine Offshore-Windkraft-Leistung auf Nord- und Ostsee ausbauen kann, stehen unsere Werften bereit, die Offshore Wind-Konverterplattformen als zentrale Bausteine hierfür zu bauen. Im Bereich Tourismus ist das „Maritime Erlebnis“ ein Kernthema unserer Tourismusstrategie Schleswig-Holstein 2030 und einer der Hauptgründe, warum Menschen gerne bei uns Urlaub machen. Nur mit intakter, erlebbarer Natur ohne Altlasten können wir unser Klientel auch weiterhin zu uns locken. Unsere Häfen sind entscheidende Eckpfeiler für den Personen- und Warenverkehr im Land und sie werden zukünftig noch mehr eine zentrale Position für die Transformation unserer Wirtschaft hin zur Klimaneutralität einnehmen. Wir brauchen hierfür Investitionen, auch in die Hinterlandanbindungen. Lassen Sie uns also gemeinsam innovative Lösungsansätze entwickeln und noch ‚mehr aus Meer machen‘!“
Nico Nolte, Leiter der Abteilung Ordnung des Meeres beim Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie, brachte die planerische Perspektive ein und betonte den Stellenwert der Nachhaltigkeit sowie der Schutzwürdigkeit der Meere: „Aufgabe der maritimen Raumordnung ist die nachhaltige Entwicklung auf See, konkret heißt das, Schutz und Nutzung in Einklang zu bringen. Für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende steht derzeit natürlich der Ausbau der Offshore-Windenergie und die Sicherstellung der rechtzeitigen Netzanbindung im Fokus. Zum Verlauf der Stromtrassen in Richtung Einspeisepunkte an Land stimmen wir uns daher intensiv mit den Küstenländern ab.“
Jörg Kubitza, Managing Director Ørsted Germany, Weltmarktführer im Bereich Offshore-Windenergie, zeigte auf, dass die Offshore-Windkraft eine zentrale Rolle in der deutschen Energieversorgung spielen wird: „Die Offshore-Windkraft übernimmt mit dem Ausbauziel von 70 Gigawatt bis 2045 eine Hauptrolle in der deutschen Energieversorgung. Der Ausbau muss aber so effizient wie möglich gestaltet sein, um einen hohen Energieertrag zu erreichen. Schließlich benötigt Deutschland künftig jede CO2-freie Kilowattstunde für die Dekarbonisierung von Industrie und Gesellschaft. Um das Beste aus der Offshore-Windenergie in Deutschland rauszuholen, müssen wir bei der Planung der Ausschreibungspfade dringend die Flächeneffizienz, die Betriebsdauer bestehender Windparks und die Koordination mit unseren europäischen Nachbarn in der Nordsee berücksichtigen.“
Lutz Machulez-Hellberg, Inhaber Machulez Transport GmbH in Cuxhaven, warf einen Blick auf das Meer als dringend notwendigen Rohstofflieferant: „Die bereits existierende Rohstoffknappheit an Baumineralien in Norddeutschland kann generell nur durch funktionierende Seehäfen gelöst werden. Insbesondere die Versorgung aus Skandinavien ist über hunderte von Jahren bereits sichergestellt, weitaus langfristigere Planungen, die so in Nordeuropa üblich sind. An diesen nachhaltigen und sehr langfristigen Planungen sollten wir uns orientieren. Das „Multifunktionsmesser“ Hafenterminal lässt sich aber noch deutlich weiter fassen, zum Beispiel mit der Schaffung eines Großterminals zur Grundchemieherstellung unter Nutzung von Flusssedimenten (Bundes-Energieinsel) die bis 2045 eine smarte Lösung mit sehr großer Wertschöpfung zur Herstellung grüner Kunststoff-Granulate als CO2-Senke wirkt.“
Das Positions- und Forderungspapier der IHK Schleswig-Holstein zu Near- und Offshore können Sie unter folgendem Link herunterladen: www.ihk.de/sh/nearundoffshore
Text: IHK Schleswig-Holstein, Foto: hartono subagio auf Pixabay