Seiner Zeit weit voraus…
Beim Labskaus-Essensder Freiburger Marinekameradschaft stellte der 2. Vorsitzende den fast in Vergessenheit geratenen Lebenslauf Berthold von Deimlings vor.
General der Infanterie Berthold von Deimling (1853-1944) wurde 1911 erstes Ehrenmitglied und Ehrenvorsitzender des Marinevereins, heute Marinekameradschaft, in Freiburg.
Anlässlich des traditionellen Labskaus-Essens der Freiburger Marinekameradschaft am 6. April 2025 stellte der 2. Vorsitzende des Vereins den zahlreich erschienenen Mitgliedern und Gästen den fast in Vergessenheit geratenen Lebenslauf Berthold von Deimlings vor: seine Herkunft aus einer liberalen badischen Beamten- und Offiziersfamilie, seine Karriere im wilhelminischen Heer, seine Rolle in der Schutztruppe der ehem. deutschen Kolonie Südwest-Afrika einschließlich seiner (Mit-)verantwortung bei der blutigen Niederschlagung des Aufstands der Herero und Nama, die Einsätze im 1. Weltkrieg an der Westfront als kommandierender General des XV. Armeekorps, seine Entlassung nach Auseinandersetzungen mit der Obersten Heeresleitung im Jahr 1917 und schließlich seine vollständige Wandlung zu einem der bekanntesten und aktivsten Pazifisten in der Weimarer Republik, Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei und des Reichsbanners „Schwarz-Rot-Gold“.
In der 2008 erschienenen Dissertation von Kirsten Zirkel liest man: „Historisch gesehen war der streitbare Friedensgeneral mit seinen Warnungen vor der verheerenden Wirkung künftiger Kriege, seinem internationalen Abrüstungspostulat und dem strikten Festhalten am Völkerbundprinzip seiner Zeit in vielerlei Hinsicht weit voraus. Vor allem aber wies er den Weg, den die Weimarer Gesellschaft hätte gehen müssen, um das Dritte Reich gar nicht erst möglich zu machen.“
Nach 1933 wurde Berthold von Deimling mit Auftritts- und Publikationsverbot belegt, als Pour-le-Merite-Träger wurde er von deren Jahrestreffen ausgeschlossen, sein Ehrensold wurde aberkannt, von der Propaganda-Maschinerie wurde er „gecancelled“. Auch im Freiburger Adressbuch verschwand er „heimlich, still und leise“ aus dem Eintrag der Marinekameradschaft. Zirkel schreibt weiter: “Um schließlich das von ihm angestrebte Ideal einer demilitarisierten Gesellschaft mündiger Bürger zu erreichen, ging er noch einen Schritt weiter, redete einer Republikanisierung der Armee das Wort und forderte den politisch aufgeklärten, auf dem Boden der Verfassung stehenden Soldaten – unter den damaligen Verhältnissen eine revolutionäre Idee.“
Dies war genau die Idee des „Staatsbürgers in Uniform“ wie sie im Rahmen der Inneren Führung von der Bundeswehr in den 1950er Jahren wieder aufgegriffen wurde. Am Ende des Vortrags freuten sich die Freiburger Marinekameraden nicht nur auf das nun servierte leckere Dessert, sondern waren sich auch einig, auf ihr erstes Ehrenmitglied heute immer noch stolz sein zu können.
Text: Dr. Claus Dohring, Fotos: Wikipedia, Müller-Schilling (1976) „ Alte Fotos erzählen Freiburger Stadtgeschichten“

